Mein Leben in Wamena & Kurima

Lang ist es her,

aber natürlich, vergessen habe ich euch nicht. Die letzten Monate ist einiges passiert und davon möchte ich euch gern schreiben.

 

WAMENA

Nach meinem Bali Urlaub ging es für mich ja ziemlich schnell wieder nach Wamena, wo ich wie gewohnt Englisch und Malen unterrichtet habe. Manchmal haben wir auch zusammen gebacken und ich habe bei den Hausaufgaben geholfen.

Der Kontakt zu den Mädchen, war ja schon vor meinem Urlaub sehr gut, ist in den letzten drei Monaten, die ich hier war aber nochmal total gewachsen. Ich war wirklich gern mit ihnen zusammen, deswegen fiel mir der Abschied auch echt nicht leicht. Das Verhältnis war nicht wie von Lehrerin zu Schülerinnen, wie man vielleicht denken könnte. Das war viel mehr wie mit richtig guten Freundinnen. Mit meinen zwei engsten Freundinnen, Rahel und Martha, habe ich besonders viel Zeit verbracht, viel gelacht und einfach zusammen gechillt, so eben, wie ich es auch mit Freundinnen aus Deutschland machen würde. Wir haben uns von uns erzählt und waren füreinander da, wenns uns mal nicht so gut ging.

Genauso schön war es auch mit Sili und Anton, die als einzige Jungen auch im P3W Asrama Wamena leben. Besonders finde ich, dass ich für alle nicht nur „die Weiße“ bin. Ich habe das Gefühl ein Teil der Gruppe zu sein, auch wenn natürlich Unterschiede durch Kultur, Alter und Herkunft bestehen, aber irgendwie dienen diese Unterschiede mehr zum Austausch, als dass sie einer guten Gemeinschaft im Weg stehen würden. Und dann spielt die Hautfarbe auch keine Rolle mehr, denn oft erlebe ich es, dass ich hier nur auf meine Hautfarbe reduziert werde, Leute Fotos mit mir machen wollen, weil ich als Art „Trophäe“ gelte. Es kann auch gut vor kommen, dass ich als „Die Weiße“ vorgestellt werde oder nur mit diesem Ausdruck über mich geredet wird, obwohl die Leute meinen Namen kennen. Mit meinen Freunden ist das anders. Da bin ich einfach Lotta und wenn jemand von außerhalb mal nicht weiß wer Lotta ist, dann sagen sie: „meine Freundin aus Deutschland.“ Das bringt mich zum lächeln und ich freue mich, dass ich scheinbar mehr als nur meine Haut für sie bin, weil sie das ja auch für mich sind.

 

Zu den Missionarsfamilien aus Deutschland und der Schweiz hatte ich weiterhin ab und zu Kontakt. Besonders oft war ich allerdings bei einer holländischen Familie, die für Ama gearbeitet hat und somit ebenfalls seit ein paar Jahren in Wamena lebte. Ende Mai allerdings war ihre Abschiedsfeier, weil sie wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Sie haben vier Kinder. Den ältesten Sohn habe ich einmal wöchentlich in Deutsch unterrichtet um ihn auf den Deutschunterricht an der holländischen Schule später vor zu bereiten. Bei ihnen fühlte ich mich immer voll wohl und vermisse sie manchmal. Aber ich werde sie auf jeden Fall besuchen, wenn ich wieder in Deutschland bin. Also noch etwas worauf ich mich freuen kann, wenn ich meiner Rückkehr entgegen blicke. Denn neben meinen Ängsten, die ich manchmal habe, was meine Rückkehr betrifft, verspüre ich momentan große Vorfreude auf ganz viele Dinge in Deutschland. Auf den Herbst, meine Familie und Freunde, im Auto cruisen, Bus und Bahn fahren, Konzerte, Nachtleben, Arbeit, Kunst, Tanz - meine geliebte Freiheit.

 

Mir sind aber auch viele Dinge aufgefallen, die hier echt problematisch sind. In diesem Artikel möchte ich über das Problem Alkohol berichten. Ich kann dabei natürlich, nur auf meine eigenen Erfahrungen zurück greifen, sowie auf Gespräche mit einzelnen Papuas. Ich möchte darum bitten, mir zu verzeihen, wenn sich hin und wieder Vorurteile meinerseits einschleichen sollten und vor allem darum, selbst mit einem offenen und freundlichen Geist darüber zu lesen.

Schon oft war mir in Wamena aufgefallen, dass viele Menschen, hauptsächlich Männer, betrunken sind. Außerdem ist es ganz normal, dass man sich untereinander warnt vor den „orang mabuk“ - den Betrunkenen.

Das Verrückte dabei ist, dass in Wamena Alkohol eigentlich verboten ist. Und klar, wenn man keinen Alkohol im Geschäft kaufen kann, dann macht man ihn sich selbst. Und das ist halt super gefährlich, weil der Alkohol dann extrem stark ist. Außerdem haben die Menschen hier ja nie einen Umgang mit Alkohol gelernt. In Deutschland ist es normal, dass Kinder schon sehen wie Eltern ab und an mal ein Bier oder Wein trinken und im besten Fall damit aufhören, wenn es reicht. Es wird darüber aufgeklärt, in der Schule wird darüber gesprochen. Und klar, lässt sich dadurch nicht ausschließen, dass auch Leute in Deutschland über ihr Maß trinken und, dass Alkohol zur Sucht wird. Ich bin aber davon überzeugt, dass ein Verbot und die Tabuisierung des Themas diese Probleme nur verschlimmern.

Ich hatte mich also, so schlimm sich das anhört, daran gewöhnt, an Leuten vorbei zu gehen, die völlig fertig am Straßenrand lagen und so viel Alkohol in ihrem Blut haben mussten, dass sie gar nicht anders konnten. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass ich auch morgens und tagsüber von völlig betrunkenen, ihrer selbst nicht mehr beherrschen könnenden Männern vorbei zu laufen, wie ich es aus Deutschland nur von dafür berüchtigten Bahnhöfen kannte. Ich hatte mich daran gewöhnt regelmäßig Schlägereien aus dem Weg zu gehen, die von Männern geführt wurden, die augenscheinlich unter Alkoholeinfluss standen.

Diese Menschen sind dann in aller Munde. Andere haben Angst vor ihnen, ärgern sich über sie, lachen sie aus.

Und ich? - Ich kannte niemanden der trinkt, also wollte ich diese Menschen weder auslachen, noch sauer auf sie sein. Viel lieber wollte ich sie verstehen. Also habe ich mir eigene Gedanken gemacht und irgendwann auch Menschen kennen gelernt, die ebenfalls manchmal sehr betrunken sind, und teilweise auch jeden Tag trinken.

Ich habe mit ihnen gesprochen und konnte verstehen warum sie damit angefangen haben. Es sind Gründe, wie es sie auch in Deutschland gibt. Trauer, Arbeitslosigkeit, Gruppenzwang, Langeweile und vor allem eine so große Aussichtslosigkeit. Ich finde dieses Wort ist so wahnsinnig passend für dieses Thema, denn es scheint tatsächlich alles sehr aussichtslos. So sehr, dass es mich an manchen Tagen sehr traurig gemacht hat. Vor allem, weil so viele Papuas von dem Alkoholismus betroffen sind. Dabei habe ich sie doch so gern.... Ein Problem was man nicht so einfach allein in die Hand nehmen kann.

 


 

KURIMA

 

Kurima ist der Distrikt in dem Polimo liegt. Das kleine Dorf, indem ich schonmal im November war. Dort war ich noch zweimal während der letzten Monate.

 

Einmal im Mai für ein Wanderwochende, was eine ganz spontane und super Sache war! An einem Samstag kam nämlich eine deutsche Familie, für einen Zwischenstopp nach Wamena. Sie wollten für ein Wochenende nach Kurima und dort wandern gehen. Sie fragten mich, ob ich nicht Zeit und Lust hätte, mit zu kommen. Die hatte ich, also packte ich meine Sachen zusammen und es ging gleich los. Wir hatten eine richtig schöne Zeit! Ich habe mich super mit der Familie verstanden und wir haben tolle Orte gesehen.

Die Eltern und die Kinder, die mittlerweile alle erwachsen sind und teilweise schon ihre eigene Familie gegründet haben, lebten vor einigen Jahren in Apahapsili, einem Dorf, in dem die Sprache Yali gesprochen wird. Der Vater hat die Bibel für sie übersetzt, die nun nach 50 Jahren fertig ist. Das finde ich Wahnsinn, echt stark!

Übernachtet haben wir im P3W in Polimo, was ich ebenfalls sehr genossen habe, weil meine Freundin Dessy ja dort lebt und eine der Leiterinnen ist. An einem Abend saßen wir zusammen in meinem Bett und haben ganz lang gequatscht. Das hat mich glücklich gemacht.

 

 

Das zweite Mal war ich dann acht Tage im Juni dort. Eigentlich wollte ich für drei Wochen dort sein, aber ich konnte erst später los, weil die Situation auf dem Weg nach Kurima etwas kritisch war. Auf der Strecke finden nämlich sehr oft Kriege statt, die zwischen den Dörfern geführt werden und dann kann man da halt nicht so ohne weiteres herfahren.

Wenn ihr Interesse habt, schreibe ich gerne auch nochmal einen extra Artikel über „Krieg“ hier, weil ihr euch jetzt wahrscheinlich wenig darunter vorstellen könnt. Allerdings möchte ich das Thema ungern einfach so mal kurz in diesen Blogartikel reinquetschen.

Letztendlich war es gar nicht so schlimm, dass ich erst später los kam, weil ich noch eine sehr schöne Zeit in Wamena hatte. In Kurima war die Zeit mit meiner Freundin Naomi besonders schön. Sie ist 24 Jahre alt und hat zwei kleine Kinder, mit denen ich gerne gespielt habe. Mit Naomi hatte ich total wertvolle Gespräche und mein Indonesisch ist in dieser kurzen Zeit glaub ich nochmal besser geworden. All meine Gedanken sind auf Indonesisch, meine heimlichen Selbstgespräche und ich kann meine Gefühle und Gedanken beinahe ausdrücken, wie ich es auch auf Deutsch kann. So kann ich mich über politische Themen unterhalten, über Schwierigkeiten und Probleme, über wirklich interessante Sachen. So schön!

Ich war fast jeden Tag bei einer ibadah keluarga (=Familien Gottesdienst), was mit einem Hauskreis zu vergleichen ist. Das war sehr schön, weil ich dadurch viele Menschen kennengelernt habe, die in den Umliegenden Gemeinden leben.

Da ich während der Ferien im P3W Polimo war, waren nur vier Kinder da, die anderen verbrachten ihre Ferien in den umliegenden Dörfern, bei ihren Familien. Wir haben zusammen gespielt, gemalt, gekocht, Feuerholz gesucht und all die alltäglichen Dinge eben, die in Polimo irgendwie mehr Zeit in Anspruch nehmen. Dadurch bin ich mega ruhig geworden, wie ich es glaub ich kaum an einem anderen Ort werden könnte. Also wenn mir im Leben mal alles zu viel wird, muss ich nach Polimo. Schade nur, dass das nicht so um die Ecke ist....

 

Ein Zusammenschnitt von meinen zwei Aufenthalten gibt es auch, damit ihr wenigstens ansatzweise etwas von der gigantischen Natur sehen könnt.

 

 

Jetzt bin ich wieder in Jayapura und habe schon sooooo coole Pläne, dass ich das alles kaum erwarten kann. Die Zeit vergeht sicher wie im Flug, sind einfach nur noch zwei Monate. Wow wow wow.

 

Ich hoffe, euch allen geht es auch gut!

Bis bald

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