Wamena und meine Gedanken

Ich habe freudige Nachrichten. Mein Aufenthalt in Wamena war gar nicht so schlimm.

Nein, im Gegenteil, er war sogar richtig schön :) Und damit es gemütlich wird, bei euch, im kalten Deutschland, schnappt euch nen Tee, Kaffee, Wein oder was ihr sonst gerne so trinkt, und lest, was ich euch berichten möchte.

 

 

Die Arbeit

 

Dreimal die Woche habe ich jeweils eine Stunde lang Englisch unterrichtet. Das hat mir, unerwarteter Weise, großen Spaß gemacht. Die Mädchen, die ich hier unterrichte stehen mit der Sprache noch ganz am Anfang. Zwar haben sie auch Englisch in der Schule, aber der Unterricht dort scheint sehr schlecht zu laufen. In meiner ersten Stunde stellte ich nämlich fest, dass sich die Mädchen noch nicht einmal selbst vorstellen konnten. Also ging es diesen Monat um die Basics (greetings, introduction, personal pronoun, verb be, numbers).

 

Auch habe ich angeboten, den Mädchen bei ihren Englisch Hausaufgaben zu helfen, die sie in der Schule aufbekommen. Ich war oft geschockt, was für Aufgaben sie mit brachten. Einmal sollte ein Mädchen einen Dialog, über eine Seite, aus einem Film vom Englischen ins Indonesische übersetzen. Aber wie oben erwähnt, haben sie in meinem Unterricht grade mal langsam die Basics gelernt. Wie also, soll ein Mädchen da ganz allein einen Dialog, mit Zeitformen und unbekannten Worten in ihre Sprache übersetzen?

 

Leider blieb mir nichts anderes übrig, einfach die Hausaufgaben für sie zu machen, denn es hätte nichts gebracht ihr etwas dazu zu erklären. Da hätte ich ja ganz vorne anfangen müssen... Na ja ich war stolz auf mich, dass ich nur ein paar Vokabeln nachschlagen musste und den Rest ohne Probleme übersetzen konnte.

 

Alle zwei Tage bin ich auch fürs Wecken und Begleiten der „Morgenroutine“ zuständig. Um fünf Uhr beginnen wir mir der Morgenandacht. Die Lieder, die wir singen finde ich besonders schön. Da singen wir darüber, wie alles langsam aufwacht und die aufgehende Sonne mit ihrem Licht die Schönheit der Welt erscheinen lässt. Danach gehen alle ihren Diensten nach, die täglich wechseln. Blumen gießen, kochen, fegen, Bäder putzen, Garten säubern. Helfen kann ich dabei nicht wirtlich, deswegen gehe ich meinen eigenen Aufgaben nach, oder leg mich nochmal ins Bett.

 

Hin und wieder haben wir getanzt. Die Mädchen haben mit Aster-Tänze beigebracht und ich ihnen ein paar einfache Tanzschritte. Der Austausch macht Spaß.

 

Des weiteren bot ich zwei Mal Malen mit Acrylfarbe an. Ich glaube, das kam sehr gut an, weil die meisten zuvor noch nie mit solche Farben gemalt haben und das Malen an sich überhaupt eher selten geübt wird.

 

Es sind schöne Sachen entstanden. Hier Plakate, die jetzt in der Aula hängen.

 

Die Westler

 

Hier in Wamena leben sehr viele Missionars Familien. Schätzungsweise um die zwanzig. Sie arbeiten für MAF oder HeliVida Die meisten kommen aus Amerika. Mehr zu tun habe ich mit einer Familie aus der Schweiz, die zwei kleine Töchter haben und einem Ehepaar aus Deutschland. Es ist angenehm, mich gelegentlich mit ihnen über meine Erlebnisse (auf Deutsch) zu unterhalten und auch von ihren Erfahrungen zu hören. Was ich natürlich auch sehr genieße ist das westliche Essen, was ich bekomme, wenn ich sie besuche. So ein Salat oder ein Käsebrot sind schon echt der Wahnsinn :)

 

Neben den privaten Treffen habe ich auch die Fellowship besucht, die jeden Sonntag Nachmittag auf einem Gelände der MAF stattfindet. Lieder, Predigt und Gebete sind alle auf Englisch, was mir gut gefällt, weil ich bei den indonesischen Gottesdiensten nicht wirklich folgen kann. Die Leute sind alle super nett und gastfreundlich, sodass ich mich gleich aufgenommen fühlte.

 

Ach ja und an einem Vormittag war ich mit der Schweizer Mutter und ihren beide Töchtern Erdbeeren pflücken, die gibt es hier nämlich! Eine einheimische Frau startete vor einigen Jahren ihr eigenes Business und heißt seitdem Ibu Strawberry (Frau Erdbeere). Sie ist auch die Einzige, die welche anpflanzt und verkauft und das ist auf jeden Fall ein Pluspunkt für Wamena, denn in Jayapura gibt es keine Erdbeeren.

 

Ich habe extra ein paar mehr gepflückt, weil die meisten Mädchen aus dem Asrama noch nie welche gegessen hatten. Und so durften sie, nachdem ich sie einen Englisch Test hatte schreiben lassen, zum ersten Mal in ihrem Leben Erdbeeren probieren. Sie waren beinahe so begeistert wie ich.

 

 

Meine Kunst und was mir sonst noch so aufgefallen ist

 

In meiner freien Zeit, von der ich immer noch ziemlich viel habe, ist eine Kurzgeschichte entstanden, Gemaltes, Videos und Ideen für Tanzstücke. Ich bin sehr froh, dass ich diese Zeit für Kreativität nutzen konnte und sehe wie sehr mich das erfüllt. Meine Zukunftspläne wandeln sich und sehen von Tag zu Tag künstlerischer aus. Aufgeregt und sehnsüchtig blicke ich dieser Zeit entgegen und lasse sie trotzdem sehr gern einfach auf mich zu kommen. Ich will nicht, dass sich irgendwelche Pläne so sehr festsetzen, dass sie sich nicht mehr erneuern können, umgeschmissen werden dürfen oder eine andere Farbe annehmen.

 

Der Kontakt zu den Mädchen, die hier wohnen ist sehr gewachsen. Ich kann mit ihnen herumalbern und ein bisschen crazy sein. Wir lachen viel zusammen.

 

Es leben auch zwei junge Männer hier. Einer von ihnen heißt Anton, ist, so wie ich, zwanzig Jahre alt und wird im Mai nach Jakarta gehen, um dort Englisch am College zu studieren. Danach möchte er gern unterrichten. Mit ihm verstehe ich mich sehr gut. Wir können auch über ernstere Themen reden. Also fragte ich ihn einmal ob ich mit meiner Vermutung richtig liege, dass Mädchen und Frauen, die vom Dorf kommen, vielleicht nicht so die Chance haben, wie er, einmal Lehrer zu werden. Er gab zur Antwort, dass ich das vielleicht aus der Frage streichen könne. Er sagte, dass Frauen, aus den Dörfern, selbst die Mädchen, die hier im Asrama leben und zur Schule gehen können, niemals einen so hohen Beruf erlernen werden, wie es ein Junge, aus dem Dorf könne, wenn er sich anstrenge. Auch wenn ich mit dieser Antwort beinahe gerechnet hatte, fand ich das sehr hart. Er erklärte mir noch, dass von den Frauen im Dorf erwartet wird sich um Haushalt und Kinder zu kümmern und sie deswegen sogar oft gar nicht erst zur Schule gehen. Ich fragte ihn, ob er auch findet, dass das ungerecht ist. Er nickte und sagte, dass das leider immer so sei mit den Frauen und Männern. Anton hat selbst einige Schwestern, die noch alle weiterhin im Dorf leben.
In großen Städten ist das schon wieder anders. Wenn ein Mädchen dort geboren wird und die Chance auf Bildung hat, kann auch sie beispielsweise Ärztin oder Lehrerin werden.

 

Außerdem denke ich auch, dass die Mädchen, die Unterstützung vom P3W Wamena bekommen, nicht einfach in ihre Dörfer zurück kehren werden, und nur kochen und Kinder kriegen, sondern wirklich einen Beruf erlernen können. Vielleicht irgendwas zwischen dem Dorfleben und dem großen Stadtleben leben können.

 

Und damit klar wird, was man sich unter einem „Dorf“ vorstellen kann, von dem ich hier die ganze Zeit rede, auch dazu nochmal eine kleine Erklärung. Wamena ist KEIN Dorf. Wamena ist schon eine Stadt, Jayapura ist eine große Stadt. Ein Dorf ist wesentlich abgeschiedener und nur durch Stundenlange bis Tagelange Fußmärsche oder mit einem Helikopter zu erreichen.

 

Des weiteren habe ich gemerkt, dass es mir gut tut, jeden Tag wenigstens einen kleinen Plan zu haben, was ich tun möchte und bestenfalls zwei, drei Mal die Woche richtig was unternehme. Und besonders ist mir aufgefallen, dass es am Besten ist, das Internet dabei aus zu lassen oder noch besser, erst gar keins zu haben. In den ersten zwei Wochen hatte ich nämlich großes Heimweh und auch wenn ich mich natürlich über die Nachrichten von Freunden und Familie gefreut habe, haben sie mich immer wieder daran erinnert, was ich grade verpasse in Deutschland, während ich teilweise nur rum saß und nichts zu tun hatte.

 

Besonders schlimm war es, als ein Junge in Deutschland verunglückt ist, den ich kannte. Ich kannte ihn nicht besonders gut, es war der kleine Bruder eines Freundes, ein Freund, von vielen anderen meiner Freunde. Ich war geschockt und als ich die Nachricht bekam und fühlte mich elendig traurig. Ich wäre sehr gern zur Trauerfeier gekommen, wäre sehr gern in Gemeinschaft gewesen, von Menschen, die ebenfalls trauern, um jemanden zum reden zu haben. Stattdessen war ich allein und stellte mir tausend Fragen. Was ist, wenn so etwas noch einmal passiert, bevor ich wieder komme? Was ist, wenn es dann einen meiner engeren Freunde trifft, oder jemanden aus meiner Familie?

 

Es ist doch verrückt, weil man immer sagt, dass man jeden Tag so leben sollte, als wäre es sein letzter. Aber wie soll das gehen? Ich kann nicht jeden Tag tanzen, malen, jeden meiner Freunde sehen, Zeit allein verbringen, schreiben, auf der Bühne stehen, schlafen, lecker essen, Zeit mit der Familie verbringen. Dafür sind 24 Stunden einfach zu wenig.

 

Jetzt grade bin ich hier und es großartig! Außerdem weiß ich, dass dieses Jahr auf lange Sicht gesehen, eine der wertvollsten Erfahrungen sein wird, die ich wahrscheinlich je machen darf. Aber was, wenn es diese „lange Sicht“ gar nicht gibt?

 

Wenn ich wüsste, dass heute mein letzter Tag wäre, oder der letzte Tag eines Freundes, dann bin ich viel zu weit weg von den Dingen, die ich so sehr liebe. Und auch wenn ich mein Leben hier liebe, ist es noch nicht ganz so ein zu Hause, wie das in Deutschland.

 

Ich denke diese Fragen stellt sich jeder irgendwann mal in seinem Leben. Ich habe mir sie auch schon oft gestellt, als ich in Deutschland war, aber jetzt hier, so weit weg, und nach der Nachricht über den tödlichen Unfall, da werden diese Fragen noch viel realer und größer und die Antworten darauf bleiben genauso unklar, wie wahrscheinlich auch an jeden anderen Ort der Welt.

 

 

Meine Hoffnung

 

Den Titel wählte ich nur, weil er so schön dramatisch klingt. „Mein Plan“ hätte es wohl auch getan.
Ich fliege dieses Wochenende nach Bali und verbringe dort Urlaub mit meinem besten Freund. Darauf freue ich mich schon sehr. Wir werden drei Wochen unterwegs sein, sodass ich am letzten März-Tag wieder in Jayapura ankomme. Wahrscheinlich werde ich dort ein paar Tage bleiben, um Sachen um zu packen und mich mit ein paar Freunden aus Jayapura zu treffen. Dann geht es Anfang April bis Mitte Juni wieder nach Wamena. Dort möchte ich weiterhin Englisch unterrichten, Tanz- und Malangebote geben und auch nach Polimo und zu anderen Dörfern reisen, um das Leben dort mit eigenen Augen zu sehen und ein paar Tage Teil davon zu sein. Wer weiß, vielleicht fliege ich dann ja sogar mal Heli !!!

 

Mitte, Ende Juni beginnen dann allerdings die Ferien, sodass im Asrama in Wamena nicht viel los sein wird. Meiner Novembererfahrung nach, kann das ziemlich langweilig werden... Und jetzt kommen wir zu meiner Hoffnung: Ich hoffe, dass bis dahin ein Dokument für mich ausgestellt werden kann, das mir erlaubt in Jayapura zu leben und zu arbeiten. Im P3W in Jayapura gäbe es nämlich auch während der Ferien Arbeit für mich, da ich ja im Geschäft, Gästehaus und in der Bibliothek helfen kann.

 

Vielleicht könnt ihr ja mit mir mit hoffen, Daumen drücken, beten oder was ihr sonst gern so tut, um diesen Plan aufgehen zu lassen.

Bis zum nächsten Mal, wünsche euch einen schönen März und Sonne für den Vitamin D Haushalt :)

 

eure Lotta

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Kommentare: 2
  • #1

    mami (Sonntag, 18 März 2018 21:04)

    danke für deine wunderbaren beschreibungen, deine gedanken, die tiefe, die lebensfreude, deinen mut
    DU bist wunderbar <3

  • #2

    Charlotte (Donnerstag, 22 März 2018 13:11)

    Love you Ma ....